Die Vorzeichen für das Projekt waren irgendwie nicht gut: Wir wurden im Skiurlaub eingeschneit und sind die ganze Nacht bei heftigem Schneefall durchgefahren. Denn ich musste unbedingt meinen Flieger nach New York bekommen. Und dann das. Mein Team fühlte sich auf den ersten Blick an wie Rudis Resterampe: Ein sehr bunt zusammengewürfelter Haufen, mit dem ich eine globale Vertriebsstrategie für einen Satellitentelefonie-Anbieter erarbeiten sollte. Mit denen?
Wir sieben waren wirklich in fast allen Bereichen grundverschieden: Alter, Ausbildung, Herkunft und vor allem der Charakter: Da war John, der New Yorker, frisch von der Uni. Kreativ, aber ein Spinner, der jeden Tag eine neue Idee hatte. Und der sollte nun mit Michael, dem durch und durch akribischen Schweizer zusammenarbeiten? Oder mit dem Inder Ragu, der täglich Johns Ideen zerpflückte? Mit der Israelin Brit, die immer nur auf das Machen drängte?
Das konnte nicht gut gehen, oder?
Mitnichten: Nach dem Projekt wurden wir mit dem Professional Excellence Award von Booz Allen & Hamilton ausgezeichnet. Die höchste professionelle Auszeichnung, die ein Team unter den rund 1000 Projekten der Firma bekommen konnte. Aber es war nicht allein dieser Erfolg, warum ich so gerne an das Projekt zurückdenke. Denn ich hatte selten so viel Spaß bei der Arbeit.
Das Thema war faszinierend, aber eben auch die Atmosphäre im Team. Wir haben hart gearbeitet, aber regelmäßig Tränen gelacht – gerade weil wir so unterschiedliche Charaktere und Kulturen im Team hatten.
Mir ist erst viel später aufgefallen, dass der Erfolg unseres Team durch die Zusammensetzung aus so verschiedenen Charakteren zustandekam – und weniger aufgrund unserer jeweiligen Kompetenzen.
Natürlich brauchen wir bei einem großen Projekt Marketing-, IT- oder Vertriebsexperten im Team. Aber die Fachkenntnisse von Mitarbeitern werden systematisch überbewertet. Das lehrt schon ein Blick nach Hollywood.
Es ist schon erstaunlich, wie konsequent die Drehbuchautoren der großen und kleinen Filme auf die Etablierung der unterschiedlichen Charaktere achten. Und wenn Sie genau hinschauen, werden Sie überrascht sein, dass es fast immer die gleichen verschiedenen Grundtypen sind: Held, Herold, Mentor, Schatten, Trickser, Gestaltenwandler und Schwellenhüter – so hat es einmal der Dramaturg Christoph Vogler zusammengefasst. Aber warum halten sich die Drehbuchautoren so strikt daran?
Ganz einfach: Gute Storys brauchen unterschiedliche Charaktere – und durch diese sieben Typen entsteht garantiert Dynamik. Und ohne Dynamik haben Sie auch keinen Erfolg im Projekt.
Ich habe im Laufe der Zeit mit dem Blick nach Hollywood eine eigene Typologie für die Berufswelt entwickelt. Eine Art Casting-Liste, mit der Sie die Charaktere finden, die zusammen Dynamik und Erfolg im Team versprechen. Heute würde ich ohne Frage eher Kompromisse bei der Kompetenz im Team machen als bei der Zusammenstellung der Charaktere. Casten Sie sich:
Lange nachdem ich die Casting-Listen erstellt hatte, ist mir irgendwann aufgefallen, dass in dem New Yorker Projekt wirklich alle Rollen der Casting-Liste besetzt waren. Das war damals so natürlich nicht geplant – oder vielleicht doch? War die bunte Zusammensetzung eine dieser wahnwitzigen Ideen von John?
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